Fehlinterpretationen chinesischen Scheidungsrechts – Urban Legends des chinesischen Scheidungsrechts
Wenn es die Ehepartner nicht schaffen eine außergerichtliche Scheidungsvereinbarung zu treffen, ist die gerichtliche Scheidung der einzige legale Weg für die Parteien, eine Scheidung herbeizuführen. In der täglichen Praxis ist festzustellen, dass aufgrund mangelnder Kenntnis des chinesischen Rechts bei Scheidungsstreitigkeiten eine Vielzahl von Missverständnissen verursachen.
Die häufigsten Missverständnisse sind
(a) Derjenige, der die gerichtliche Scheidung einleitet, hat einen strategischen Nachteil
Passivität führt in Scheidungsverfahren grundsätzlich zu Nachteilen. Insbesondere bei der Aufteilung des Vermögens wird die Partei im chinesischen Recht oftmals benachteiligt, die sich passiv verhält. Passivität in Folge von Unkenntnis des Rechts oder emotionaler Blockaden, führt auch oft zu Nachteilen im Verfahren. Ein chinesisches Scheidungsverfahren ist ein Parteiprozess und muss betrieben werden.
Zunächst einmal sind beide Ehegatten gleichberechtigt. Bei der Scheidung teilt das Gericht zunächst das persönliche Vermögen der Parteien und das gemeinsame Vermögen des Paares auf, wobei das persönliche Vermögen bei jedem Ehegatten verbleibt.
Bei der Aufteilung des gemeinsamen Eigentums der Ehegatten ist zunächst durch Vereinbarung zwischen den Ehegatten eine Aufteilung zu versuchen. Sollte die Vereinbarung unter den Parteien scheitern, entscheidet das Gericht. Das Gericht entscheidet auf der Grundlage folgender Prinzipien:
- besonderen Umständen des Eigentums
- Gleichheit von Männern und Frauen
- Schutz der legitimen Rechte und Interessen der Frauen und Kinder
- der Schutz der Partei, die kein Verschulden an der Auflösung der Ehe trifft
Daher ist die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht gleichzusetzen mit Zugeständnissen des Antragstellers bei der Aufteilung des Eigentums. Die Einleitung des Verfahrens ist lediglich der Abschluss der vorgerichtlichen Vergleichsbemühungen. Weiter ist wichtig die Initiative bei Rechtsstreitigkeiten zu haben und Beweise zu sammeln. Von Aktivität hängt die Anwendung von Gesetzen ab, insbesondere da es gilt das Gericht bei der Anwendung von chinesischem Recht davon zu überzeugen, dass dem Antragsteller der von ihm beanspruchte Teil des gemeinsamen Vermögens zuzusprechen ist. Diese Fehlvorstellung von Nachteilen des Antragstellers beim gerichtlichen Verfahren führt oft dazu, dass beide Seiten vor der Einleitung eines Scheidungsverfahrens zurückschrecken.
(b) Derjenige, der sich scheiden lässt hat keinen Umgang mit den gemeinsamen Kindern
Oft denken scheidungswillige Ehegatten in China, dass nach der Scheidung die Kinder bei einer Partei leben. Manche Parteien möchten die Beziehung zur anderen Partei für immer abschneiden. Sie bieten sogar einen Unterhaltsverzicht an. Dadurch wird das Besuchsrecht der anderen Partei verletzt. Das chinesische Eherecht sieht ein Besuchsrecht der Partei, die das Kind nicht direkt mittels Naturalunterhalt unterstützt und eine Mitwirkungspflicht der Partei vor, bei der das Kind lebt. Hier sind sich die beiden Rechtsordnungen im Grundsatz ähnlich. Die gesetzliche Grundlage für das Besuchsrecht im chinesischen Recht liegt in der Blutsverwandtschaft und der dauerhaften Zuneigung zwischen Eltern und Kindern. Denn die Verwandtschaft zwischen den Kindern und ihren Eltern, die objektiv ist, kann durch eine Scheidung nicht eingeschränkt werden. Die Ausübung des Besuchsrechts basiert auf dem Verwandtschaftsrecht. Auch wenn der Nichtunterhaltspflichtige mit dem Kind nicht tatsächlich blutsverwandt ist (Adoptivkind, außerehelich geborenes Kind innerhalb der Ehe usw.), kann dies die Ausübung seines Besuchsrechts nicht beeinträchtigen, das auf der Zuneigung beruht, die sich aus dem langen Zusammenleben des Nichtunterhaltspflichtigen mit dem Kind ergibt.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Volksgerichts zu verschiedenen Fragen der Anwendung des Ehegesetzes der Volksrepublik China ist eine Umgangsregelung elementar. Das Urteil zur Scheidung kann aber trotzdem ausgesprochen werden, wenn ein Scheidungsurteil des Volksgerichts kein Besuchsrecht beinhaltet und die Partei eine separate Klage zur Frage des Besuchsrechts einreicht.
(c) Derjenige, der nicht 2 Jahre der Trennung absolviert kann nicht geschieden werden
Einige Parteien glauben, dass eine Scheidung nach 2 Jahren der Trennung möglich ist bzw. dass eine Scheidung erst nach 2 Jahren der Trennung möglich ist. Dieses Verständnis hat keine rechtliche Grundlage. Die Scheidung ist ein zivilrechtlicher Akt der Auflösung der Ehe zwischen zwei Parteien in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bedingungen und Verfahren, nach chinesischem Recht gerade keine derartige Trennungszeit kennt. Wenn die Ehegatten die Ehe auflösen wollen, können sie zum Amt für Zivilangelegenheiten gehen und sich einvernehmlich scheiden lassen oder zum Gericht, um die Scheidung einzuklagen. Einen dritten Weg durch Zeitablauf kennt das Recht nicht.
Richtig ist, dass die einschlägige richterliche Auslegung der chinesischen Gesetze vorsieht, dass eine Scheidung durch das Gericht nach zwei Jahren der Trennung aufgrund von emotionalem Zerwürfnis ausgesprochen werden kann. Wenn das Getrenntleben jedoch durch Arbeit und Studium bedingt ist, ist es offensichtlich, dass ein Getrenntleben von mehr als 2 Jahren keine rechtliche Voraussetzung für eine Scheidung ist. Weiter ist eine zweijährige Trennung aufgrund von emotionalem Zerwürfnis eine hinreichende Bedingung für die Scheidung, aber keine notwendige Bedingung. Nicht getrennt lebende Paare können trotzdem geschieden werden, wenn andere rechtliche Bedingungen erfüllt sind.
Sollten sich die Ehepartner oder ein Ehepartner einig sein, dass die Beziehung zerbrochen ist, muss man nicht 2 Jahre der Trennung zuwarten, bevor man einen Scheidungsantrag stellt.
(d) Derjenige, der auf dem Immobilienzertifikat eingetragen ist, ist Eigentümer der Immobilie
Manche Parteien einer Ehe glauben fälschlicherweise, dass das Haus demjenigen zugesprochen wird, dessen Name bei der Scheidung eingetragen wird. In der Tat wird das während der Ehe gekaufte Haus, egal auf wessen Namen es eingetragen ist, wenn es keine besondere Vereinbarung gibt, als gemeinsames Eigentum behandelt.
(e) Derjenige, der sein Vermögen verschleiert erzielt einen Vorteil
Einige Parteien übertragen oder verheimlichen oft gemeinsames Eigentum vor der Scheidung oder während des Scheidungsverfahrens, wie z.B. Bankguthaben und Aktien, Wohnungswechsel usw., in dem Glauben, dass die Übertragung oder Verheimlichung zu ihrem eigenen persönlichen Eigentum wird. Tatsächlich hinterlässt die Übertragung oder das Verschweigen von Gemeinschaftseigentum oft relevante Beweise und kann nach chinesischem Recht auch dazu führen, dass der Anteil am Eigentum aufgrund von böswilligem Verschweigen oder Übertragen abgeändert wird. Das kann von einem geringeren Anteil, über Kompensationszahlungen bis hin zum vollständigen Verlust der Eigentumsrechte führen. Die "Some Specific Opinions on the Handling of Property Division Issues in Divorce Cases by the People's Courts" (Einige spezifische Stellungnahmen zur Behandlung von Fragen der Vermögensaufteilung in Scheidungssachen durch dieVolksgerichte) legen fest, dass wenn eine Partei das gemeinsame Eigentum der Ehegatten illegal versteckt oder überträgt und sich weigert, es herauszugeben, oder es illegal verkauft oder zerstört, bei der Aufteilung des Eigentums die Partei, die das Eigentum versteckt, überträgt, verkauft oder zerstört, einen geringeren oder keinen Anteil erhält. Insbesondere wird das verheimlichte, übertragene, verkaufte oder zerstörte Vermögen als Vermögensanteil der Partei behandelt, die das Vermögen verheimlicht, übertragen, verkauft oder zerstört hat, und der der anderen Partei zustehende Anteil wird mit anderem gemeinsamen Vermögen der Ehegatten verrechnet; wenn die Verrechnung nicht ausreicht, wird die Differenz von der Partei, die das Vermögen verheimlicht, übertragen, verkauft oder zerstört hat, mit einem Abschlag an die andere Partei ausgeglichen.
(f) Derjenige, der seine Ehefrau verlässt muss seiner Ehefrau automatisch eine Entschädigung für den Verlust ihrer Jugend bezahlen
Einige weibliche Parteien sind der Meinung, dass die männliche Partei bei der Scheidung einen gewissen Ausgleich für den Verlust der Jugend leisten sollte. Hierfür gibt es keine generelle rechtliche Grundlage. Nach den Bestimmungen des chinesischen Ehegesetzes kann das Gericht in Fällen von häuslicher Gewalt, Bigamie, Zusammenleben eines Ehepartners mit einer anderen Person, Missbrauch und Verlassen von Familienmitgliedern zwar der unschuldigen Partei eine Entschädigung zusprechen, dies ist aber an diverse, oft schwer nachzuweisende Voraussetzungen geknüpft. Einen automatischen Ersatzanspruch von Ehefrauen gegen ihre Ehemänner bei „normalem“ Zerwürfnis und Auseinanderleben gibt es jedoch nicht.
(g) Derjenige, der sich nicht scheiden lassen will, kann die Scheidung verhindern
Manche Parteien glauben fälschlicherweise, dass, wenn sie darauf bestehen, der Scheidung nicht zuzustimmen, auch keine Scheidung ausgesprochen wird. Hierfür gibt es keine rechtliche Grundlage. Das chinesische Ehegesetz sieht vor, dass die Scheidung ausgesprochen wird, wenn die Beziehung wirklich zerrüttet ist und eine Mediation keinen Erfolg hat. Wenn das Volksgericht in China eine Scheidungssache verhandelt, ist die maßgebliche Unterscheidungslinie zwischen Gewährung oder Verweigerung einer Scheidung, ob die Gefühle des Paares tatsächlich zerbrochen sind. Wenn also genügend Beweise und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beziehung zerbrochen ist, wird das Gericht die Scheidung bewilligen, auch wenn ein Partner sich der Scheidung verweigert und die Ehe weiter aufrecht erhalten will.
(h) Derjenige, der kein Sorgerecht hat, hat keine Verpflichtung
Manche Parteien glauben, wenn sie nach der Scheidung kein Sorgerecht für ihre Kinder haben, können sie sich von ihren Kindern trennen und haben keine Verpflichtungen. Ein solches Denken verstößt nicht nur gegen die Mindestmoral, sondern auch gegen das Gesetz der Volksrepublik China. Das chinesische Ehegesetz legt fest, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kindern durch die Scheidung der Eltern nicht aufgehoben wird. Nach der Scheidung bleiben die Kinder die Kinder beider Elternteile, unabhängig davon, wer sie aufzieht. Der Elternteil, der den Kindern keinen Naturalunterhalt gewährt, trägt die notwendigen Lebens- und Erziehungskosten für die Kinder, die von dem anderen Ehegatten aufgezogen werden. Wenn neue Umstände eintreten, wie z.B. dass der ursprüngliche Unterhaltsbetrag nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten oder dass das Kind krank ist oder die Schule besucht, hat das Kind das Recht, von den Eltern eine Erhöhung des Unterhalts zu verlangen. Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist nicht fest, sondern passt sich an die jeweiligen Lebensumstände an. Wenn der Elternteil, der mit dem Kind zusammenlebt, aufgrund von Krankheit, Behinderung usw. nicht in der Lage ist, das Kind weiter zu unterstützen oder das Kind missbraucht hat, kann das Gericht auf Antrag der unterstützenden Partei, des Kindes usw. auch das Unterhaltsrecht ändern.
(i) Derjenige, der beim Ehebruch erwischt wird muss eine Entschädigung bezahlen
Nach den einschlägigen Bestimmungen des chinesischen Ehegesetzes hat die unverschuldete Partei das Recht, Schadensersatz zu verlangen, wenn einer der folgenden Umstände zur Scheidung führt: Bigamie; Zusammenleben mit einer anderen Person durch den Ehepartner; häusliche Gewalt; Missbrauch oder Verlassen von Familienmitgliedern. Das bedeutet, dass das Gericht nur bei Vorliegen der o.g. rechtlichen Voraussetzungen den Antrag der unverschuldeten Partei auf Schadensersatz unterstützen kann. Es ist unwahrscheinlich, dass das Gericht einen Schadensersatzanspruch unterstützt, wenn nur eine außereheliche Affäre vorliegt. Bloßer Sex außerhalb der Ehe genügt in der Regel nicht, dass eine Entschädigung desjenigen eingefordert werden kann, der die Ehe zerrüttet hat. Bei Beweisen für eine außereheliche Affäre ist es jedoch möglich, einen Antrag bei Gericht zu stellen, der schuldigen Partei einen geringeren Anteil am gemeinsamen Vermögen des Ehepartners zuzusprechen. Deshalb ist es in China auch häufig Gang und Gäbe, dass Privatdetektive engagiert werden, um einen bzw. regelmäßigen Ehebruch nachzuweisen und so bei der Verteilung des Vermögens einen größeren Anteil zu erhalten.
Manche Leute denken, dass "ein Ehepartner, der mit einer anderen Person zusammenlebt" eine außereheliche Affäre hat. Dies ist nicht richtig. Das chinesische Ehegesetz meint mit "Zusammenleben eines Ehepartners mit einer anderen Person", dass der Ehepartner und das andere Geschlecht außerhalb der Ehe kontinuierlich und beständig im Namen von Mann und Frau zusammenleben. Das, was wir üblicherweise als Affäre bezeichnen, hat dagegen in der Regel nicht den Akt des kontinuierlichen und beständigen Zusammenlebens.
(j) Derjenige, der erst nach der Scheidung bemerkt, dass sein Ehegatte gemeinsames Eigentum verheimlicht hat, kann keine Rechte mehr einfordern
Manche Parteien glauben, dass sie ihre Rechte nicht geltend machen können, wenn sie erst nach der Scheidung herausfinden, dass die andere Partei das gemeinsame Vermögen versteckt hat, ohne es nach der Scheidung zu teilen. Wenn nach der Scheidung festgestellt wird, dass noch gemeinsames Vermögen vorhanden ist, das nicht aufgeteilt wurde, kann nach den einschlägigen Bestimmungen des chinesischen Ehegesetzes und der richterlichen Auslegungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Feststellung auf Aufteilung geklagt werden.